HP  2019 - 05 13  - 001
Bipolare Störung
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Bipolare Störung (manische Depression)

Ich kann hier nur beschreiben wie es mir persönlich mit der bipolaren Störung geht. Bei jedem äußern sich die Phasen anders.

Für mich gilt der Spruch

Bipolare sind eine Zumutung für ihre Umgebung

Eine Zumutung ist meine Sprunghaftigkeit und ich bin im Moment in der unkontrollierbaren Manischen Phase. Da mache ich viele lustige Sachen und ich bekomme völlig unvorhergesehene Lachkrämpfe. Ich nehme nichts ernst und kann mich auf nichts konzentrieren. Und: ich trete in jedes Fettnäpfchen. Trotzdem ist die manische Phase besser als die depressive.

Im Juli hatte ich eine Horrorfahrt von Agost nach Berlin. Die Psychosen haben mir sehr zugesetzt. Ich habe diese Tour wie durch ein Wunder überlebt und ich habe seitdem das Auto nicht mehr angefasst.

Es gibt nicht die Depression. Depressionen haben ganz unterschiedliche Ursachen, z.N. können Ängste ein Auslöser sein. Die lassen sich aber gut behandeln. Bei mir gibt es keinen Auslöser: ich wache morgens auf und bin entweder in der Depression oder in der Manie. Das kann nicht therapiert werden. Zu dem Urteil sind drei Therapeuten gekommen. Seit 1981 bekomme ich jede Menge Medikamente. 900 mg Lithium, 45 mg Remergil, 150 mg Trevilor und Benzodiazepine. Damit konnte ich wenigstens arbeiten gehen.

Bevor ich in die Schule kam wurde ich als schwermütig bezeichnet. Bei Kindern war eine bipolare Störung oder auch manische Depression völlig unbekannt. Bei Kindern gab es eine Art Depression, die durch äußere Auslöser zu Tage traten. Ich habe diese Erkrankung wohl von meinem Vater geerbt, der sehr unter der manischen Depression gelitten hat. 1963 hatte ich meine erste richtige Depression. Da ich nicht wusste was da passiert, habe ich sicherheitshalber die Hausapotheke leer gefuttert. Meine Suizid-Versuche sind alle daneben gegangen,weil ich versucht habe mich zu vergiften.

Aus Angst, dass ich mir was antun könnte, wurde ich bis zum Abschluss 1974 zur Schule gebracht und abgeholt. Das hatte noch einen zweiten Grund. Ich wurde ständig verdroschen von den anderen. Alex war anders als die Norm

Ich war nur in mich gekehrt, hatte keine Kontakte zu anderen Kindern in meinem Alter und war eigentlich immer alleine. Da gibt es allerdings noch eine andere Leiche, die ich im Keller habe und nicht öffentlich diskutieren möchte. Viele Freunde meiner Eltern nahmen auch Abstand von mir: Der schaut immer so gespenstisch.

Während sich in der Kindheit und Jugend überwiegend die depressive Phase gezeigt hatte, trat im Laufe der Zeit die manische Phase in den Vordergrund. Ab 1980 wechselten sich die Phasen in unregelmäßigen Abständen ab.

Aktuell bekomme ich nur noch das Lithium und Olanzapin, das gegen die Psychosen helfen soll.

Im April 1999 bin ich dann aus dem Job ausgestiegen, durch das hervorragende Arbeitsklima. Einn Amtsarzt schickte mich dann zum Medizinischen Dienst, mit dem Kommentar, dass bei mir eine längerfristige Lösung gefunden werden muss. Seit dem April 1999 war ich Krank-geschrieben bis ich ab Januar 2000 Die Erwerbsunfähigkeit Rente bekam. Mit den Tabletten bin ich sogar Motorrad gefahren. Alex vollgedröhnt auf seiner BMW R 100. Aber ich bin nie umgefallen. Ich habe immer gewusst, wann die Füße auf die Straße gehören.

Ich hatte einige Therapien über mich ergehen lassen. Wobei die beste Therapie der Besuch des Abendgymnasiums von 1997 bis 2003 war.

2011 wurden die Tabletten umgestellt 45 mg Mirtazapin, 300 mg Elontril und 900 mg Lithium. Die Benzodiazepine gab es nicht mehr, brauchte ich auch nicht mehr. Ohne den Ärger bei der Arbeit war das schon in Ordnung.

Zur Zeit (November 2023) ist der Wechsel der Phasen sehr abrupt. Ich bin jetzt zum Beispiel in der manischen Phase, schon sehr lange den ganzen Januar 2023 bis heute, aber ich habe plötzlich depressive Einbrüche. Zwischendurch ist urplötzlich ein Tag mit einer extremen Depression. Ist der Tag zu ende, dann kommt die manische Phase wieder zum Vorschein.

In der manischen Phase bin ich ruhelos, überdreht, schlaflos und sehr nervös. Außerdem ist auch das Essen für mich nicht so wichtig. Ich tobe nachts durch die Bude und höre laute Musik (überwiegend Beethoven, Johann Strauß, Suppé und Offenbach). Mein Hund findet das immer lustig, wenn ich plötzlich so mobil bin.

Seit August 2018 habe ich einen Pflegedienst, der sich um mich kümmert.

Eine Zwischenphase gibt es nicht mehr. Das war die Phase in der ich eigentlich wie jeder andere Mensch reagiert und gelebt habe. Heute unkontrollierbare manische Phase und morgen extreme Depression. Ich kann eigentlich nichts planen im Moment ... ich weiß ja nicht was morgen so los ist. Bei mir werden die Depressionen nicht durch äußere Einflüsse ausgelöst. Ich wache morgens auf, alles ist Käse und dann bleibe ich einfach liegen. Genauso plötzlich wie sie kommt, geht sie auch wieder. Damit die Depression nicht zu lange dauert (schließlich muss ich mich versorgen), gibt es Medikamente. Aber es gibt ein ganz tolles Mittel um die Depression etwas abzumildern: Hunde und Katzen.

Mein Goldie Amigo wird gerade zum Assistenzhund ausgebildet. Wir sind jetzt erstmal mit den Wohnungs Übungen dran. Also Anschlagen wenn es an der Tür klingelt. Ich leide auch unter Psychosen, da klingel es öfters mal (in meinem Kopf). Oder er gibt mit Gegenstände hoch, die mir runtergefallen sind. Natürlich nur Sachen, die er auch Anheben kann. Später für die Außen-Übungen brauche ich einen Hundetrainer. Das sind nämlich die schweren Übungen wie z.B. der Hund muss aufpassen ob ein Auto sich nähert. Also er kann nur hören, dass das was kommt, aber nicht die Richtung. Jedenfalls darf er mich dann nicht auf die Straße lassen. Er sollte mich vor merkwürdigen Leuten warnen, oder was ganz wichtig ist: er muss mich immer nach Hause bringen. Ich verlaufe mich ja schon auf den paar Metern zwischen Tabak-Dealer und zu Hause. Wie oft bin ich auf einer Wiese gelandet. In der manischen Phase bekomme ich in so einem Fall einen Lachkrampf. Dann stehe ich auf der Wiese und kann mich kaum einkriegen. Die Leute staunen dann immer sehr. Aber ich wohne hier seit 40 Jahren und die meisten Leute kennen mich noch. Also ich werde nicht gleich eingewiesen. Die lassen mich hier alle in Ruhe. Der Alex ist ein besonders bunter Vogel, der mitten auf einer Wiese steht und sich totlacht unter dem Motto: Wieder nicht die richtige Straße getroffen, so ein Pech. In den 60er und 70er Jahren haben die Leute den Kopf geschüttelt, manchmal auch die Jungs mit der Zwangsjacke angerufen. Heute ist alles friedlicher, die Leute grinsen und gehen weiter ihres Wegs. Manchmal werde ich auch angequatscht: “Dich darf man nicht alleine auf die Straße lassen”. Stimmt!

Seit August 2021 habe ich den Pflegegrad 3 und GdB 60%, seit August 2023 bekomme ich die Regalaltersrente

Psychosen

Bei mir äußern sich die Psychosen, in dem ich vieles Sehe oder Höre, was nicht vorhanden ist. Die Selbstwahrnehmung ist auch gestört. Auch stehe ich oft neben mir, quassel Unfug und kann die Aufträge des Pflegedienstes nicht ausführen. Zum Glück habe ich meinen Amigo (Golden Retriever) so weit, dass er mir anzeigt, wenn es wirklich an der Tür klingelt oder auch gelassen weiterläuft auf der Straße obwohl mächtige Monster auf uns zukommen. Bei meiner letzten Autofahrt flog plötzlich eine Leiche auf meinen Kühler. Ich konnte den genau sehen und anfassen. So ein Scheiß, da fahre ich mit Warnblinker auf die Standspur für ... gar nichts -  für eine eingebildete Leiche. Der Horror-Trip von Agost nach Berlin ... das mache ich nie wieder.

Man darf den Alex nicht alleine auf die Straße lassen. Das gibt ein Unglück. Fahrbahnen überqueren ist ein riesiges Problem. Auch wenn mehr als ein Mensch auf der Straße ist es ein Problem. Insbesondere Probleme hat der Alex mit Frauen. Bei Männern geht es so einigermaßen. Also es gibt beim Pflegedienst zwei Männer, die mich anfassen dürfen. Bei den Jungs, die zum Waschen kommen bin ich immer angespannt und bekomme meine Angstzustände. Aber ich muss einfach das Waschen zulassen, wobei mir Männer immer lieber sind und dass wird vom Pflegedienst auch akzeptiert. Eine Frau hatte ich schon zwei mal rausgeworfen. Sie wollte mich in der Küche waschen und ganz Friedenau konnte zusehen.

Ich bin nunmal bescheuert, lasst mir meinen Spaß, denn anders kommt man als Bipolarer mit Psychosen nicht klar in dieser komischen Welt.

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Arbeitsleben

 

 

I-Mehl

2009-B-0407

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Februar 2024

2009-B-0313